Martha Höhr
Dieser Beitrag wurde von Martha Höhr verfasst – Leitung der Hundeschule Willenskraft Graz & Umgebung.
Graue Schnauzen
Doch ist ein alter Hund kein guter Hund mehr? Ist nachlassende Leistungsfähigkeit ein Gradmesser unserer Beziehung zu unserem Hund und der Freude, Zeit mit unserem Hundesenior zu verbringen?
Älterwerden betrifft uns alle, früher oder später stellen sich die ersten kleinen Alterszipperlein ein und uns wird klar: jünger werden wir alle nicht. Unsere Hunde durchlaufen den Lebenszyklus vom Welpen über den erwachsenen Hund bis zum Senior im Vergleich zu uns Menschen im Zeitraffer, ein Menschenleben überdauert im Normalfall einige Hundeleben.
Wir assoziieren das Älterwerden unserer Hunde häufig negativ, als Vorbote des Abschieds. Doch ein älterer Hund kann unser Leben auf so vielfältige Weise bereichern. Einen Herbstspaziergang durchs raschelnde Laub in nun etwas ruhigerem Tempo können wir mit allen Sinnen wahrnehmen, gemütliche Couchabende bei Minusgraden müssen uns nicht mehr mit schlechtem Gewissen erfüllen, weil unser älterer Hund weniger Action benötigt als ein 4jähriger Jungspund. Wir können und dürfen einen Gang zurückschalten und die Entschleunigung gemeinsam mit unserem Hund genießen.
Ja, absolut, sie können! Aufgrund der nachlassenden synaptischen Plastizität nicht mehr so schnell wie als Junghund, doch auch ältere Hunde wollen und sollen geistig beschäftig werden. Dies gilt umso mehr, wenn die körperliche Auslastung aufgrund eventueller Beschwerden des Bewegungsapparates hintangestellt werden muss. Die Nase unserer Hunde funktioniert meist bis ins hohe Alter ausgezeichnet und so können wir diverse neue Suchspiele und Aufgaben gemeinsam mit unserem Hund ausprobieren.
Mit zunehmendem Alter unserer Hunde lassen häufig die Sinnesleistungen – insbesondere Hören oder Sehen – nach. Hier lassen sich mit etwas Geduld und Engagement wunderbar neue Signale für bereits Gelerntes erarbeiten. Was bisher gehört wurde, kann nun über Berührung oder Sichtzeichen verständlich gemacht werden. Und was bisher gesehen wurde, kann nun mit Focus auf das Hören neu erarbeitet werden. So bleiben wir in Kommunikation mit unseren Hunden und überlassen sie nicht ohne Anleitung einer neuen, stillen Welt.
Mit zunehmendem Alter wird der Stoffwechsel unserer Hunde träger, meist bewegen sich ältere Hunde auch weniger oder zumindest gemächlicher. Viele Erkrankungen im Alter lassen sich auf Übergewicht zurückführen, wir sollten daher besonders darauf achten, unsere Hunde bedarfsgerecht zu ernähren. Grundsätzlich kann man davon ausgehen, dass im letzten Lebensdrittel allgemein weniger Energie also Fettanteil benötigt wird. Auch der Proteinbedarf sinkt, wobei hier bei nierengesunden Hunden keine starke Reduktion empfehlenswert ist, zu wenig Protein führt zum Abbau der Muskelmasse. Weiterhin wichtig ist die Eiweissqualität (möglichst frisch, wenig verarbeitet, gut verdaulich) sowie die ausreichende Zufuhr essentieller Fettsäuren (z.B. über Leinöl). Besonderes Augenmerk sollten wir jetzt auch auf die ausreichende Zufuhr von Vitaminen legen, da die Aufnahme über die Nahrung im höheren Alter eingeschränkt funktioniert. Die Vitaminzufuhr kann man durch Verwendung frischer, saisonaler Gemüse- und Obstsorten im Futter oder auch durch diverse Futterzusätze wie z. B. Gerstengraspulver erhöhen.
Ein Hund wird definitionsgemäß dann als alt bezeichnet, wenn er etwa 75% seiner angenommenen Lebensspanne erreicht hat. Je nach Hund und Rasse kann dieser Zeitpunkt stark variieren: Riesenrassen wie Doggen erreichen diesen Zustand schon mit 5-6 Jahren, ein Cockerspaniel erst mit etwa 10-11 Jahren.
In jedem Fall empfiehlt es sich, spätestens ab diesem Zeitpunkt regelmäßig sogenannte Geriatrische Check-ups beim Tierarzt durchführen zu lassen. So können nachlassende Organfunktionen, Gelenkserkrankungen etc. frühzeitig erkannt und durch entsprechende Maßnahmen gut in Schach gehalten werden.
Das Bewegungsbedürfnis älterer Hunde variiert sehr stark, doch in jedem Fall ist regelmäßige Bewegung unerlässlich für die Gesunderhaltung des Bewegungsapparates. Hunde, die sich im mittleren Alter gerne und viel bewegen, bevorzugen meist weiterhin ausgiebige Spaziergänge- andere, denen davor schon ein Stündchen in gemächlichem Tempo mit ausreichend Schnüffelzeit genügt haben, werden jetzt vermutlich noch mehr Zeit mit Schnüffeln und weniger mit Gehen verbringen wollen. In jedem Alter – beim älteren Hund aber noch etwas mehr – sollte auf jeden Fall gründliches Warmlaufen einer stärkeren körperlichen Beanspruchung vorangehen.
Häufig schrecken potentielle Adoptanten vor der Aufnahme eines älteren Hundes zurück; es werden nicht völlig zu Unrecht höhere Tierarztkosten erwartet und leider sind viele Menschen der Meinung, dass ein älterer Hund nicht mehr an das Anforderungsprofil der künftigen Halter angepasst werden kann.
Oft trifft genau das Gegenteil zu:
In unserem Trainingsalltag bietet sich gar nicht so selten das Bild leicht überforderter Welpen- oder Junghundebesitzer, die ehrlich zugeben, weder den Zeit- noch den Energieaufwand, den ein heranwachsender Hund benötigt, richtig eingeschätzt zu haben.
Von daher kann oft die passendere Wahl sein, einem etwas älteren Hund ein schönes Zuhause zu geben. Gerade für ältere Menschen, die vielleicht selbst in ihrer Mobilität leicht eingeschränkt sind, ist ein aufgedrehter Welpe im 4. Stock mit 2stündigem Pipi-Abstand unter Umständen eine echte Herausforderung wenn nicht gar eine Überforderung, vom Bewegungspensum eines Junghundes ganz zu schweigen. Natürlich kommen ältere Hunde mit einem kleinen Rucksack aus Erfahrungen – das kann aber durchaus ein Vorteil für das weitere Zusammenleben sein. Manchmal entdeckt man auch kleine Besonderheiten, richtige kleine Spleens, die unglaublich liebenswert sein können.
Und wer einmal in die dankbar strahlenden Augen eines alten Hundes gesehen hat, der die Chance bekommt, in seinem neuen Zuhause schöne, neue Dinge zu lernen und zu erleben, wird seine Entscheidung nie bereuen.
Sophie Stodtbeck (Klick mich!)
Sophie Strodtbeck und Bernd Schröder (Klick mich!)
Dieser Beitrag wurde von Martha Höhr verfasst – Leitung der Hundeschule Willenskraft Graz & Umgebung.