Der Therapiebegleithund
Ein Interview mit Mag. Brigitte Girard und Bianca Oriana Willen, CBATI-KSA
Gitta: Ich bin vom Grundberuf her Betriebswirtin, 1993 habe an der JKU Linz Sozial- und Wirtschaftswissenschaften mit dem Magister abgeschlossen, heute Magistra ;). 1995 kam meine Tochter auf die Welt, 1997 mein Sohn und ja, schon als ich ein Kind begleiteten mich Hunde bei meiner Entwicklung, damals waren es Schäferhunde. Obwohl mein Wunsch immer ein Haus voller Hunde war, hatte ich keine Zeit dafür; wir hatten Hamster, Hase, Meerschweinchen und Katzen. 2007 verunglückte die Mutter einer Klassenkollegin meines Sohnes schwer; nach einem Autounfall war sie von der Halswirbelsäule abwärts gelähmt; sie hatte einen Herzenswunsch, ein Partnerhund sollte her und da kam ich ins Spiel: Ich machte aus meinem 40igen Geburtstag eine Charityveranstaltung und fuhr mit ihr zur zweiwöchige Ausbildung und tadaaa dort traf ich dann meinen ersten eigenen Hund Berillo, ein gelber Labrador; am Partnerhundehof gab es einen Welpenwurf, er war einer davon und es wurden Gastfamilien gesucht und bald war ich eine davon ☺. So startete ich mein Leben mit einem Labrador Retriever und die Rasse begeisterte mich von Anfang an. Ich konnte mit ihm überall hin und zwar ohne Leine und ohne Themen bei Hundebegegnungen. Das war bei den Schäferhunden nicht so easy. Ich änderte mein Leben also komplett: Ich nahm Berillo zu mir, startete als Rettungssanitäterin und machte die Ausbildung zur Gesundheitstrainerin. Mit sieben Monaten hatte Berillo eine Hüftuntersuchung, dann stand fest, dass er aufgrund seiner nicht optimalen Hüften kein Partnerhund werden konnte; ich übernahm ihn und mit einem Jahr machte er die Prüfung zum Therapiebegleithund, das war damals möglich, heute müssen die Hunde zwei Jahre alt sein. Seine Hüften machten ihm erst später mit drei Jahren die ersten Probleme, da hatte ich dann schon meinen zweiten Hund Citta, ein schwarzer Labrador. Mich begeistert, dass sowohl die Ausbildung als auch die Arbeit in diesem Bereich so bunt ist; es gibt unendlich viele Möglichkeiten an hundegestützten Interventionen, ich habe eine große Sammlung an Aktivitäten und Spielen, die immer noch weiterwächst. Ich liebe die Arbeit im Freien: Meine Klienten sind oft Kids in Fremdunterbringung, die Bewegung mit dem Hund in der Natur bietet so viele Möglichkeiten, da kommt es auch schon mal vor, dass ich zu meinem Hund noch ein oder zwei Dog-Scooter dabeihabe und wir durch die Au am Wasser entlang flitzen. Was brauche ich dafür? Einen Hund, der bei uns bleibt und keinem Hasen nachjagt oder die nächstbeste Hundebegegnung will. Ich brauche einen Partner, auf den ich mich verlassen kann und er sich auf mich, wir sind Partner auf Augenhöhe. Mein Diamo ist so ein Hund. Einer, der sich freiwillig für Kooperation mit mir entscheidet, komme was wolle.
In Österreich ist das seit 2015 gesetzlich geregt, als unabhängige Koordinierungsstelle ist das Messerli Forschungsinstitut an der Vetmed Uni Wien eingesetzt. Dort sind anerkannte Ausbildungsstätten gelistet und bieten ihr Programm an. Üblicherweise startet die Ausbildung mit einem Eignungs-/Wesenstest, der Hund ist da ungefähr ein Jahr alt oder älter. Es gibt aber auch Hunde, die schon früher in die Ausbildung einsteigen können, die kommissionelle Prüfung selbst können sie aber erst mit zwei Jahren machen. Die theoretische Prüfung ist Part der Ausbildungsstätten. Ja und wie dein Familienhund eigentlich Therapiebegleithund wird sollten wir vielleicht besser so formulieren: Wie werden wir eigentlich Therapiebegleithunde-Team?
Wenn ich zum Beispiel in die Lebenshilfe gehe, dann sind Diamo und ich in der Erwachsenenbildung unterwegs; wir haben eine Gruppe von maximal 5 Personen und machen spielerische Angebote, bei denen es um Teamarbeit genauso geht, wie um Kompetenzerfahrung bei leichten Aufgabenstellungen bis hin zum Wissensquiz und vielem mehr. Bei den Kids in der Krisenunterbringung bzw. im Krankenhaus (Psychosomatik) treffen wir auf Bindungsthemen z. B. durch Mangel an verlässlichen Beziehungen in den ersten Lebensjahren genauso wie auf Körperschema-Störungen z. B. Essstörungen oder soziale Ängste z. B. die Angst ausgelacht zu werden. Hier sind wir Teil eines Therapieplans und ich dokumentiere die Einheiten. Ein lustiges Spiel, was immer passt, ist SOKO Hundeplatz: Jeder Teilnehmer ist Teil der Geschichte, in diesem Fall mit dem Hund Teil des Krimis und kann leichte Aufgaben lesen, planen und mit dem tierischen Partner umsetzen. Das alles basiert auf Freiwilligkeit und je nachdem, wer teilnimmt, bekomme ich vorab eine Info, ob wir Bewegung machen können. Kids mit Essthemen kommen und gehen mit Rolli, da müssen wir dann auf andere Aktivitäten zurückgreifen, denn Bewegung ist leider nur wenig möglich …
In der Regel entwickelt sich aus der Begeisterung über den eigenen Familienhund das Interesse, diesen gerne als Zusatzangebot im Grundberuf einzubauen. Je nachdem können Hunde z. B. in Schulen eingesetzt werden, dort ist das seit 2017 auch gesetzlich geregelt, dass nur staatlich geprüfte Hunde mitgenommen werden. Hier geht es um das Lernen von sozialen, emotionalen und kognitiven Fähigkeiten sowie exekutiven Funktionen, die u. a. die Basis für gute Kooperationsfähigkeit bilden. Menschen und Hunde können deswegen vertraut miteinander umgehen, zusammenleben und kooperieren, sie haben diese Verbindung zwischen frühen sozialen Beziehungen und der Entwicklung des Sozialverhaltens gemeinsam.
Dann haben wir viele Therapeuten, die ihren Familienhund zum Therapiehund ausbilden wollen, um ihr Angebot zu bereichern. Hund sind Eisbrecher und sozialer Katalysator, sie sind soziale Vermittler und erleichtern den Kontakt zum Klienten. Hunde sind auch Kommunikationsförderer, sie machen Beziehungs- und Kommunikationsangebote. Hunde sind Motivatoren, sie motivieren, an Aufgaben aktiv und konzentriert teilzunehmen. Und Hunde sind Stimmungsaufheller, sie machen einfach Spaß. Ich bin von meinen Grundberuf Betriebswirtin mit Zusatzausbildung Gesundheitstrainerin und Absolventin des zweijährigen Unilehrganges zu tiergestützter Therapie, also ich bin ein typischer Quereinsteiger und bin in einem Therapieplan eingebunden. Wenn wir starten, ist zu Beginn beim Kennenlernen der Hund Eisbrecher und sozialer Katalysator, der Hundekontakt soll Angst und Stress mindern und die Kommunikation erleichtern, er soll eine angenehme und offene Atmosphäre schaffen. Im weiteren Verlauf ist der Hund Motivator und hilft im gemeinsamen Interagieren, fördert die Selbstwirksamkeit und motiviert zu mehr Spaß im Leben.
Ich gehe daher auch zu Senioren, das ist aus meiner Rot-Kreuz-Tätigkeit im Besuchsdienst geblieben, das mache ich ehrenamtlich, alle anderen Einheiten werden auch mit Euros honoriert ;). Alleine tierische Anwesenheit mildert Angst und Stressreaktionen, normalisiert Blutdruck und Herzfrequenz, aktiviert das Oxytocin-System; Oxytocin wird in vertrauensvollen Beziehungen ausgeschüttet, auch bekannt als das Wohlfühlhormon. Positive Interaktionen und Streicheln können den Cortisolspiegel deutlich senken. Ein schönes Erlebnis kurz erzählt: Ich wurde gebeten zu einer neu eingezogenen Dame mit Demenz zu gehen, um zu sehen, ob es eine Reaktion auf den Hund gibt. Und siehe da schwups war die Hand ruhend am Kopf meines Hundes und Ludwig ist ein großer schwarzer Labrador Mix. Nicht streichelnd sondern ruhend, das viel mir sofort auf.
Meine Lieblingseinsätze sind aber bei Kindern in Fremdunterbringung, denn hier sind Hunde teilweise bessere Bezugsindividuen als Menschen, da das interne Arbeitsmodell Tieren gegenüber meist offener ist – es sind noch keine schlechte Erfahrung gemacht worden. Zweitens haben Kinder instinktives Interesse an Tieren – Kinder sollten mit Hunden aufwachsen, denn dann reifen sie als sozial kompetenter Erwachsenen heran. Ganz anders ist es natürlich mit Hundeangst, auch hier hatten wir schon Einsätze und hier kommt uns zugute, dass Hunde Distanzen viel besser einschätzen können, kleinschrittiges Training ist das um und auf.
Im Sommer sind wir bei den Ferienspielen der Gemeinden vertreten, da geht es viel um Körpersprache der Hunde, damit Beissvorfälle hoffentlich bald der Vergangenheit angehören.
Grundsätzlich ja, wir haben keine Rassenliste 😉 und es steht auch immer das Mensch-Hund-Team im Fokus. Zeigt der Hund ängstliches Verhalten kann das ein Ausschließungsgrund sein und ebenso, wenn der Mensch strafbasierte Ansätze beim Training bevorzugt und nichts von belohnungsbasiert und spielerisch hält … Wir brauchen souveräne Menschen und Hunde. Wir wollen Hunde, die mit uns kooperieren und selbstständig gute Entscheidungen treffen können, weil diese oft zu Belohnungen geführt haben. Mensch und Hund sollen ein in sich ruhendes partnerschaftliches Team sein, der Mensch mit seinem Konzepthirn gestaltet den Rahmen, er plant Training und Einsatz, denkt langfristig und unterscheidet Wichtiges von weniger Wichtigen. Der Hund mit seinen Supersinnen spürt Veränderungen früher und kann Distanzen besser einschätzen, er hat einen unglaublichen Fokus auf Details. Was das Bilden von Zusammenhängen haben wir Menschen die Nase vorne.
Das Wichtigste ist die Beziehung vom Hund zu seinem Menschen, beruht im Optimalfall auf Basis einer sicheren Bindung. Im Einsatz arbeiten wir in einer Triade Klient/Patient …. Hund-Hundemensch, dieses Beziehungsdreieck ist die Basis der Hundegestützten Arbeit. Das tragende Element ist die primär soziale Beziehung zwischen Hundehalter und Hund: Partnerschaftlich und positiv verstärkt, sehr exklusiv, beruht im Optimalfall auf Basis einer sicheren Bindung.
Die Beziehungen sind von Respekt geprägt. Jeder hat die Möglichkeit zu kommentieren, zu reagieren und seinen Gefühlen Ausdruck zu geben. Jeder hat die Freiheit zu kommunizieren, wie er die Situation erlebt. Jeder darf denken, fühlen und handeln wie er will. Eine Paarbildung innerhalb der Triade kann gefahrlos stattfinden. Alle sind freiwillig dabei.
Bedeutend erscheint mir hier auch zu erwähnen, wie Hunde wirken und dabei erwähne ich kurz 5 Wirkfaktoren: Bindung, Biophilie, Du-Edvidenz, Spiegelneuronen, Oxytocin.
Therapiebegleithunde sind hauptsächlich einfach Familienbegleithunde und daher nicht immer im Einsatz. Das Gesetz schreibt folgendes vor: Um den Hund vor Überforderung zu schützen, ist die Einsatzhäufigkeit für ausgebildete und geprüfte Teams mit einem pro Tag, 2 und in Ausnahmefällen 3 Einsätze pro Woche (1 aktiver Einsatz = max. 45 Minuten), jedoch nicht mehr als 8 Einsätze pro Monat zu begrenzen. Einsätze sind unterschiedlich anstrengend, aber eines ist klar: Hunde brauchen Zeit, um Stress abzubauen, wir reden hier von 2 bis 6 Tagen, ansonsten riskieren wir Krankheiten.
Hier gibt es unterschiedliche Anbieter. Es gibt Jahresausbildungen und es gibt Angebote mit 2 bis 3 Monaten, das ist ganz unterschiedlich? Die schriftliche Wissensüberprüfung übernimmt die Ausbildungsstätte und im Optimalfall führt sie das Team auch bis zur kommissionellen Prüfung, bei der von der Koordinierungsstelle zwei Prüfer *innen entsandt werden. Wenn diese erfolgreich ist, kommt das Zertifikat via Post und das Team wird auf der Website der Vetmed Messerli gelistet.
Ja, auch das mit den Kosten ist recht unterschiedlich, bei uns sind es derzeit 1.100 Euro, in der Wiener Gegend kenne ich auch höhere Angebote.
Interviewpartnerin – Mag. Brigitte Girard
Interview und Design by Bianca Oriana Willen (Inhaberin der Hundeschule Willenskraft & Akademie) .