1.
Spiel braucht Geborgenheit
Spielende Hunde erkennt doch jeder, oder? Spiel ist einfach nur Spiel, richtig?
Aber wie lässt sich Spiel von Nicht-Spiel unterscheiden? Existiert überhaupt eine einheitliche Definition von Spiel? Gibt es Voraussetzungen und Kriterien für Spiel, wenn ja, welche wären diese? Welche Funktionen hat Spiel? Warum spielen die sozialen Caniden so lustbetont, selbstvergessen und kreativ? Anhand welcher Merkmale kann Spiel eigentlich erkannt werden? Schon mal was von Solitärspiel gehört? Und welche Spielformen konntest du bereits beobachten?
Sie existiert nicht, diese eine durchwegs allumfassende Definition von Spiel! Trotz einer Vielzahl von Studien in den letzten Jahren konnte noch niemand erklären welche biologische Funktion Spiel schlussendlich hat. „Play is not easily defined. Attempts to define it functionally face the problem that it is not obvious that play serves any particular function either at the time when it is performed or later in life.“ [Spiel zu definieren ist nicht einfach. Versuche, es funktional zu definieren, werden mit der Problematik konfrontiert, dass nicht offenkundig ist, dass Spiel einer besonderen Funktion dient, weder zur Zeit seiner Auführung, noch später im Leben.] (Marc Bekoff, 1998 in Feddersen-Petersen 2008, S. 195)
Aus diesem Grund beschreiben die meisten Definitionen möglichst genau WAS im Spiel passiert. So auch diejenige des Wissenschaftlers Gordon M. Burghardt, der sich mit den Ursprüngen und der Evolution des Spielverhaltens beschäftigt:
„Spiel ist wiederholtes, funktionell unvollständiges Verhalten, das sich von ernsthafteren Versionen strukturell, im Kontext oder ontogenetisch [entwicklungsgeschichtlich] unterscheidet und freiwillig initiiert wird, wenn das Tier in einem entspannten oder stressarmen Umfeld ist.“ (Burghardt 2005 in Käufer 2011, S. 15)
Kriterien & Voraussetzungen, Funktionen von Spiel, Erkennungsmerkmale, Spielarten & -formen
Spielverhalten – PDF
1. Spiel braucht Geborgenheit:
eine wichtige Voraussetzung für Spiel bildet ein entspanntes Umfeld das Sicherheit und Geborgenheit bietet. Bei Hunger, Durst, Angst, Schmerzen oder Müdigkeit wird nicht gespielt.
2. Spiel hat kein anderes Ziel als Spiel:
Spiel ist Aktivität ohne erkennbare Notwendigkeit. Es setzt sich aus Sequenzen des Jagd-, Aggressions- & Sexualverhaltens zusammen. Es unterscheidet sich jedoch von dem jeweiligen Ernstbezug z.B. gibt es im Jagdspiel keine echte Beute (der Spielpartner spielt die Beute).
3. Spiel ist freiwillig und belohnt sich selbst:
ein wichtiges Kriterium für jedes Spiel ist die Freiwilligkeit aller Spielpartner. Für den Spaß dabei sorgt das Körpereigene Belohnungssystem und erleichtert zudem das Lernen. ABER Vorsicht: einseitiges Spiel wie z.B. dauerhaftes Ball werfen kann zum Zwang werden.
4. Spiel ist anders als die Realität:
im Spiel lässt sich unvollständiges, übertriebenes, unökonomisches und unvorhersehbares Verhalten beobachten. Einzelne Komponenten aus Jagd, Flucht, Sexualverhalten sowie sozialer Körperpflege werden beliebig miteinander kombiniert.
5. Spiel ist kreative Wiederholung:
echtes Spielverhalten bleibt immer flexibel & variabel. Eine Verhaltenssequenz wird nicht starr wiederholt sondern immer wieder anders variiert. So kann beispielsweise Spielzeug im Mensch-Hund-Spiel gerollt, geworfen oder versteckt werden ohne dass es zum Spielabbruch kommt.
Gordon M. Burghardt
Je nach Lebensalter des Hundes (Welpe – Junghund – erwachsener Hund) kann Spiel unterschiedliche Funktionen haben:
Marc Bekoff
Regelmäßiges Spielen sorgt für ein entspanntes Miteinander, vermeidet Spannungen, fördert die Kommunikation, bereichert die Bindung und somit auch die Harmonie: „wer zusammen spielt, bleibt auch zusammen“.
„Obgleich es auch heute noch schwierig ist, eine allgemein zufriedenstellende Definition für das Spielverhalten aufzustellen, können die Besonderheiten des Spiels ohne Probleme deskriptiv dargestellt und seine charakteristischen Eigenschaften benannt (und so erkannt) werden.“ (Feddersen-Petersen 2008, S. 201)
Spielverbeugung
Spielkampf 50:50 Regel
Spielgesichter
Selbsthandicap
Im Spiel der Hunde wird unerschrocken, offen und ohne Erwartungen miteinander umgegangen. Weder lässt sich ein Plan noch ein Konzept dahinter erkennen. Es geht vielmehr um das genüssliche Ausprobieren der belebten sowie unbelebten Umwelt. Wichtig bleibt die Offenheit sowie das Vertrauen aller Beteiligten. „Das hundliche Spiel ist reich und kreativ – und besteht nicht allein aus dem Apportieren geworfener Bälle oder Motivationsobjekte.“ (Feddersen-Petersen 2004).
Ursprüngliches Spiel lässt sich in Solitärspiel (Spiel ohne Spielpartner) und Sozialspiel (Spiel mit Spielpartner) gliedern. Zusätzlich gibt es das Objektspiel (Spiel mit unbelebten Gegenständen) welches sowohl mit also auch ohne Spielpartner gespielt werden kann.
Solitärspiele sind Bewegungsspiele mit dem eigenen Körper. So lassen sich beispielsweise die sogenannten „Rennflashs“, Räkeln und Wälzen aber auch Objektspiele ohne Partner beobachten. Bei Welpen stellt das Solitärspiel eine wichtige Komponente während der Entwicklung dar: erkunden des eigenen Körpers, der eigenen Fähigkeiten und der Umwelt.
Das Sozialspiel kann in innerartliches Spiel (Hund-Hund) und Spezies übergreifendes Spiel (Hund-Mensch, Hund-Katze,…) unterteilt werden. Hierzu zählen die Verfolgungsspiele wie Jagd-, Renn-, Fluchtspiele, Spieljagd, Beutefangspiele sowie Maulrangeln und Zerrspiele.
Beim Objektspiel werden Objekte „geruchlich, taktil & geschmacklich [und akustisch] untersucht“ (Feddersen-Petersen 2008). Alles was sich zum Zerren, Rollen oder Zerreißen eignet wird vorzugsweise gewählt. Darunter können fallen: Stöcke, Blätter, Tannenzapfen, Taue, Bälle, Spielzeug, etc. Auch lassen sich Verfolgungsspiele mit Spielbeute beim objektbezogenen Sozialspiel beobachten.
Bewegungsspiel vieler Hunde: das genüssliche Räkeln und Wälzen.
Sozialspiel: Verfolgungsspiel zwischen Viola und Khali
Spielzeug ist „Spielbeute“ um die im Zerrspiel spielerisch gestritten wird.
Mit dem „Rennflash“ zeigt Khali, dass es ihm gerade richtig gut geht.
Das körpereigene Belohnungssystem sorgt dafür, dass Rennen Spaß macht.
Der Mischlingswelpe bei einem Objektspiel im Garten.
3 Beispiele
Das Spiel unter Hunden kann abhängig von Temperament, Vorliebe und gegenseitiger Vertrautheit diverse Formen annehmen, hierzu einige Beispiele:
Khali und Viola in einem Spielkampf im Stehen. Spielkämpfe werden häufig mit spielerischem Anspringen oder Spielbeißen eröffnet und mit viel Körperkontakt durchgeführt. Außerdem lassen sich wiederholte Rollenwechsel sowie Selbsthandicaps beobachten. Im Spielkampf wird kein Ernstkampf trainiert oder um Rang/ Ressourcen gestritten, sondern das Verhaltensrepertoire erweitert, um Kämpfe zu vermeiden.
Der Hochkampf kann oft zu Beginn eines Spiels beobachtet werden. Aufgrund der Anstrengung dauert er daher nur einige Sekunden. Auf den Hinterbeinen stehend versuchen sich die spielenden Hunde an die Kehle zu fassen und aus dem Gleichgewicht zu bringen. Länger andauernde Phasen des Hochkampfes deuten auf zunehmende Erregung hin und sollten als Alarmsignal gesehen werden.
Spielbeißen ist die häufigste Spielform bei allen Hunderassen und tritt in der Spielentwicklung von Welpen als erstes auf. Es wird bevorzugt in Hals, Schnauze, Nacken und Rute gebissen – als Spielaufforderung. Gekennzeichnet ist Spielbeißen durch übertriebenes Maulaufreißen, einer starken Beißhemmung und der fehlenden Drohmimik. Das Beißen im Spiel lässt sich weiters in Abwehrbeißen und Beißschütteln untergliedern.
„Möglich Funktionen von Spielkämpfen sind die Einschätzung und Verbesserung der eigenen Fähigkeiten, die Reduzierung der Angst vor Attacken, der Austausch von Informationen über die Kondition und Strategie des Spielpartners und die Erhaltung und Förderung des sozialen Zusammenhaltes. Durch Kampf- und Beißspiele werden weder ressourcenbezogene Konflikte geregelt, noch haben sie Auswirkungen auf die Rangordnung.“ (Feddersen-Petersen 2008 in Käufer 2011, S. 53).
Spielbellen – Spielknurren – Spielhecheln
„Spielknurren ist ein akustisches Spielsignal, das aus dem agonistischen Kontext stammt, aber von diesem unterscheidbar ist. Welpen lernen im Sozialspiel auch die akustische Kommunikation, z.B. das Drohlaute niedrige Frequenzen und Beschwichtigungslaute höhere Frequenzen haben.“ (Käufer 2011, S. 77)
Spielverhalten bei Hunden: Spielformen und -typen. Kommunikation & Körpersprache
Mechtild Käufer (Klick mich!)
Ausdrucksverhalten beim Hund: Mimik und Körpersprache, Kommunikation und Verständigung
Dr. Dorit Urd Feddersen-Petersen (Klick mich!)
Dr. Marc Bekoff discusses play with Dale McLelland and Lisa Tenzin-Dolma
YouTube (Klick mich!)
Bilder – Hundeschule Willenskraft & Akademie
Dieser Beitrag wurde von Bianca Oriana Willen verfasst – Inhaberin & Gründerin der Hundeschule Willenskraft & Akademie.